Yijing


Yin (rot) und Yang (schwarz) in den gua 13 und 7 – © Kalligraphien: Chungliang Al Huang

Die 64 Gua

Das Yijing besteht aus 64 “Bildern” (chines. gua). Bei den gua handelt es sich um graphische Zeichen, die aus sechs Linien aufgebaut sind (sog. “Hexagramme”). Diese Linien sind entweder “geteilt” oder “ganz” und verkörpern Yin oder Yang, die beiden Urkräfte der altchinesischen Naturphilosophie. Ein ganzer Yang-Strich steht für “Stärke, Licht, Wärme, Ausdehnung”, ein geteilter Yin-Strich für “Sanftheit, Dunkelheit, Kälte, Rückzug”. Die jeweilige Mischung der Yin- und Yanglinien bestimmt die Symbolik eines Hexagrammes.

Jedes Hexagramm stellt ein charakteristisches Merkmal einer Situation bzw. einen besonderen Moment in Raum und Zeit dar. Gua 3 etwa bespricht die Schwierigkeiten einer Neugeburt, gua 4 die Chancen und Risiken von Unbekümmertheit und Unerfahrenheit, gua 43 den Durchbruch nach einer Stockung usw. Alle 64 Hexagramme zusammen bilden ein universales Modell von Bewegungs- und Wandlungszuständen. Diese wohnen nicht nur natürlichen Entwicklungszyklen inne, sondern manifestieren sich auch auf der individuellen und gesellschaftlichen Ebene des Menschen.

Die Ursprünge der gua sind in bronzezeitlichen Praktiken der Orakelbefragung am Hof der Zhou-Dynastie (9.-7.Jh.v.Chr.) zu suchen. Um das 6.Jh.v.Chr. entstanden die Namen der gua mit einer knappen Beschreibung ihres Inhalts (dem “Urteil”) und den zu den Linien beigefügten Sprüchen. Jahrhunderte später begründeten Gelehrte der Han-Dynastie (206 v.-220 n.Chr.) das traditionelle Verständnis der Hexagramme aufgrund der Lehre von Yin und Yang, der Stellung der Trigramme (der zwei Hälften eines gua), dem Erscheinungsbild des gesamten gua, der Position der Linien und ihrer Beziehung zueinander sowie der Reihenfolge der 64 Hexagramme. Diese Auslegungsprinzipien sind im Wesentlichen gültig bis auf den heutigen Tag.

Hexagramme als symbolische Zeichen sind vielschichtig und mehrdeutig. In meinen Portraits versuche ich, die Grundbedeutung eines gua hervorzuheben. Dabei stütze ich mich auf die klassische Übersetzung von Richard Wilhelm wie auch auf die aktuellen Forschungen zum Yijing der westlichen Sinologie (insbesondere auf die Werke von Edward Shaughnessy, Richard J. Smith, Dennis Schilling und Dominique Hertzer). In die Texte eingeflossen ist zudem die langjährige praktische Anwendung des Yijing unter der Leitung von Bruno von Flüe in Luzern.

Die 64 Gua im Detail