Yijing


Themis in der Rolle der Pythia prophezeit Aigeus einen Sohn (Kodros-Maler, 440-430 v.Chr.) – © Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung

„Weder verbirgt noch offenbart das Orakel,
sondern es deutet an und weist hin“
Heraklit (in Plutarch’s „Moralia“) über Delphi,
die berühmteste Orakelstätte des antiken Griechenland

Die Kunst der Divination

Der Begriff “Divination” (lat. divinatio = Erforschung des göttlichen Willens) umfasst die vielfältigen Techniken der in antiken Kulturen so wesentlichen Kunst der Weissagung, der Orakel-, Traum- und Omendeutung. Sie gründet in der Annahme, dass wirkende Mächte in Kosmos und Natur sich in Zeichen manifestieren und dass diese der menschlichen Erkenntnis zugänglich sind. Diese Überzeugung teilten auch die Gelehrten des Alten China: In beiden Methoden des Yijing-Orakels – der Teilung der Schafgarbenstäbchen oder dem Fall der Münzen – manifestiert sich die Wirkungsweise des dao, dessen Gesetzmässigkeiten Oben und Unten, Innen und Aussen verbindet.

Die Autoren der “Grossen Abhandlung”, einem der wichtigsten Kommentare zum Yijing aus dem 3.Jh.v.Chr. wiesen zudem auf die Bedeutung der Selbstreflexion bei der Fragestellung und der Interpretation der Hexagramme des Yijing-Orakels: “Ein Fürstensohn bedenkt sein Handeln und fasst seine Fragen in Worte. Darauf erhält er die gua als Antworten wie ein Echo”.

Wie dieses Echo – die durch die Orakelmethode erhaltenen sinnträchtigen Hexagramme – zustande kommt, bleibt ein Geheimnis, das sich einer rationalen Erklärung entzieht. Dass das Yijing-Orakel – unter Voraussetzung von Wahrhaftigkeit bei Ratsuchenden wie Orakelspezialisten –  jedoch verlässlich und glaubwürdig funktioniert, galt im Fernen Osten während mehr als 2000 Jahren schlicht als eine Tatsache.